Im Jahr 2021 informierte mich eine ehemalige Kollegin darüber, dass sie sich ehrenamtlich in der Straffälligenhilfe engagiert. Das weckte mein Interesse, da ich beruflich bereits mit Straftätern zu tun hatte und gewisse Parallelen erkannte. Daraufhin bemühte ich mich um ein eigenes Ehrenamt in der Straffälligenhilfe. Durch die Coronapandemie hat sich das alles noch eine Zeit hingezogen, aber seit 2022 bin ich nun ehrenamtliche Vollzugshelferin in der JVA Bremen, Abteilung Bremerhaven.
Seitdem betreue ich zwei Insassen der JVA Bremerhaven und führe regelmäßige Gespräche mit ihnen. Die beiden Insassen, die ich betreue, unterscheiden sich stark voneinander. Während der eine ruhig und zurückhaltend ist, ist der andere kommunikativ und aufgeschlossen.
Der ruhigere Insasse befindet sich seit März 2024 in einer Klinik in Berlin, um seine Drogenabhängigkeit zu überwinden. Die Möglichkeit, ihn persönlich von der JVA abzuholen und zum Zug zu bringen, war eine berührende Erfahrung für mich. Ich hoffe, dass er die Therapie erfolgreich abschließen wird und ein Leben ohne Drogen und Straftaten führen kann. Ich bemühe mich, auch während seiner Therapiezeit den Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten.
Der kommunikativere Insasse hat ein großes Mitteilungsbedürfnis. Anfangs ließ ich mich etwas zu sehr von ihm vereinnahmen, was ich jedoch geändert habe, um meine Grenzen zu wahren und mich wohler zu fühlen. In einer Situation wurde ich von der Verlobten eines Häftlings um Hilfe gebeten, nachdem sie in Schwierigkeiten geraten war. Dieses Erlebnis hat mich dazu veranlasst, vorsichtiger im Umgang mit persönlichen Informationen zu sein und einen gesunden Abstand zu wahren.
Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, achtsam zu sein und stets zu bedenken, dass es sich um Straftäter handelt, die wir betreuen, und nicht um Freunde. Das würde ich auch Personen raten, die darüber nachdenken, ein Ehrenamt in der Straffälligenhilfe aufzunehmen.
Die Zusammenarbeit mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der JVA Bremen erlebe ich als positiv. Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit bei der GISBU mbH in Bremerhaven stehe ich in regelmäßigem Kontakt mit der Gerichtshilfe und den Bewährungshelfern. Das hilft mir auch, wenn es mal Fragen zu den von mir ehrenamtlich zu betreuenden Insassen gibt.
Durch mein ehrenamtliches Engagement als Vollzugshelferin bin ich sensibler und aufmerksamer geworden. Ich betrachte Menschen und ihre Handlungen nun mit anderen Augen und urteile nicht vorschnell.
Die Dankbarkeit der Insassen ermutigt und bestärkt mich, mein Engagement fortzusetzen.
Andrea Rieckers
Bremerhaven, 01.04.2024